Der König und die Näherin
Es war einmal vor langer Zeit ein altes Holzhaus in einem tiefen, dunklen Wald. Dort wohnte eine Näherin. Eines Tages kam ein grimmiger König mit seinem Gefolge auf Pferden an ihrem Haus vorbei geritten. „Hoooooo“, machte der König und zügelte sein Pferd. Es war ein großes, schwarzes Ungetüm. Ein Kriegspferd. Und gleich dem Pferd waren auch der König und seine Mannen ganz und gar auf Krieg eingestellt. Ihre Waffen blitzten in der kalten Wintersonne. Der König stieg von seinem Pferd und klopfte laut an der Türe. Nach dreimaligen Klopfen öffnete sich diese langsam. Da stand die Näherin – eine junge Frau mit freundlichen Augen und einem sanften Gesicht. „Was kann ich für Euch tun?“, fragte sie mit leiser Stimme. Der König wies auf seinen Mantel,“Ihr seid Näherin? Mein Mantel ist zerrissen und ich möchte in ihm in die Schlacht reiten. Flickt ihn, gute Frau, damit ich wie ein König aussehe und nicht wie ein abgerissener Strolch.“ Sie nickte und ließ ihn ein. Der König nahm an einem bescheidenen Holztisch Platz während sich die Näherin den Mantel besah. „Ich werde den Rest des Tages brauchen um den Mantel zu flicken. Ruht Euch aus. Sagt Euren Mannen, sie sollen von ihren Pferden absteigen und in die Stube kommen.“ „Was verlangt Ihr für Eure Dienste?“, fragte der König. Sie sah ihn mit ihren großen, klaren Augen an. „Bringt mir nur guten Honig und Milch, damit ich Tee für Euch und Eure Mannen machen kann.“ So schickte er einen seiner Männer nach dem Gewünschten. Später saßen sie also alle zusammen, die Männer im Hintergrund und der König am Tisch mit der Näherin. Der Tag verging und der König wurde ungeduldig. Warteten doch seine Kriegsgeschäfte. Doch die Näherin ließ sich nicht beirren. Stich für Stich nähte sie an dem Mantel, der so einen wichtigen und grimmen Herrn bekleiden sollte. Als es Abend geworden war sagte die Näherin,“Kommt morgen wieder. Der Mantel ist noch nicht fertig.“ Unwirsch brummte der König, doch seine Eitelkeit war größer. „Was wollt ihr morgen für eure Dienste?“ „Das Gleiche wie heute...Milch und Honig für den Tee. Kommt im Morgengrauen wieder.“, sagte die Näherin. Am nächsten Morgen also kam der König mit seinen Mannen. Wiederum saßen sie in der warmen Stube. Der König sah sich um. Wirklich sehr bescheiden lebte die junge Frau. Ob sie einen Mann hätte?Nein. Ob der König eine Königin hätte? Nein. Im Krieg sei keine Zeit für Liebe. Die Näherin nickte bedächtig. Mit der Zeit stellte sich beim König ein seltsam wohliges Gefühl ein. Der gute Tee, die leisen Gespräche, die er mit der Näherin führte, seine Mannen die gemütlich beim Feuer saßen. So viel Frieden hatte der große Kriegsherr schon lange nicht mehr gefühlt. Am Abend sagte die Näherin wiederum,“Kommt morgen wieder. Der Mantel ist noch nicht fertig.“ Der König schnaubte vor Wut,“Gute Frau, ich glaube Ihr wisst nicht, wie wichtig der Krieg ist, den ich führe!!!“ „Kommt morgen wieder, dann wird er fertig sein...bringt mir nur Milch und Honig.“, antwortete sie. Am nächsten Tag, als der König und seine Mannen wieder bei Tisch und Feuer saßen und den warmen süßen Tee tranken, sah die Näherin von ihrer Arbeit auf und fragte den König, „Warum führt Ihr diesen Krieg?“ Erstaunt sah der König die Näherin an,“Warum? Das weiß niemand mehr. Das andere Königreich ist uns so fremd, seit Generationen wird der Krieg geführt.“ Sie nickte,“Wenn Ihr Euch nicht mehr erinnern könnt, warum macht Ihr weiter?“ Der König schüttelte erstaunt den Kopf,“Was soll ich denn sonst tun? Ich bin ein König. Ich muss das Reich führen, glorreich sein, Ruhm, Ehre, Vaterland...“ „Und was ist mit Euren Volk? Ist es glücklich?“ Der König verneinte,“Nein...das niedere Volk sicherlich nicht. Aber jeder muss seine Bürde tragen. Die Waffenschmiede und Händler sind die Glücklichsten unter meinen Untertanen. Was täte ich ohne sie? Sie beliefern mich mit wichtigen Gerät....“ „So möchtet Ihr ewig Krieg führen?“, fragte sie. „Nein....“, sagte der König nach einer langen Pause,“Nein...nur solange bis wir das andere Königreich besiegt haben...dann wird alles besser. Dann müssen die Waffenschmiede und Händler keine Waffen mehr anfertigen und liefern...“ „Was wäre dann, mein König?“, fragte die Näherin,“Was würdet Ihr dann tun?“ Der König sann nach. „Oh, ich würde Schulen bauen. Ich würde Feste für das Volk veranstalten, mit bunten Bannern, Musik...ich würde dafür sorgen, dass auch der Ärmste meines Volkes nicht mehr darben müsste. Ich wäre dem Volk ein wahrer Vater – niemand müsste mehr unglücklich sein.“ Wiederum nickte die Näherin bedächtig. „Euer Mantel wird morgen fertig sein.“meinte sie,“Kommt wieder, bringt Milch und Honig.“ In dieser Nacht konnte der König nicht schlafen. Immer wieder erschien ihm im Traum das sanfte, ruhige Gesicht der Näherin. Warum führt ihr Krieg, mein König, fragte es..... Unruhig und seltsam im Herzen getroffen ritt der König mit seinen Mannen zur Näherin. Als er an die Türe klopfte antwortete niemand. Knarrend öffnete sich unter seiner Hand die Türe. Sie schwang auf und gab den Blick auf die leere, kalte Hütte frei. Kein Feuer brannte. Kein Tee stand am Tisch. Die Näherin war wie vom Erdboden verschwunden. Allein, der Mantel – wunderschön anzusehen, glitzernd, gemacht für einen König – lag auf dem Holztisch. Verwundert trat der König ein. Er schritt zum Tisch, nahm den Mantel hoch und strich mit der Hand über die schönen, goldenen Stickereien. Sein Herz, welches sich kurz geöffnet hatte, verschloss sich wieder. Seinen Männern befehlend den Honig und die Milch auf den Tisch zu stellen, schwang er sich auf sein mächtiges Ross und ritt davon. So verging einige Zeit und der Krieg tobte weiter. Furchtbar war der König anzusehen in seinem Mantel. Furchtbar und schön zugleich. Das Volk lag unter seinen Füßen und die Waffenschmiede und Händler wurden ob des guten Essens, welches sie sich leisten konnten, immer dicker und dicker. Mit feisten Händen strichen sie sich zufrieden über ihre runden Bäuche. Die Straßenjungen liefen hinter dem Heereszug her, um ein wenig Brot zu erbetteln. Das Volk versank immer mehr und mehr in Dunkelheit und Verzweiflung. Eines Tages, nach einer großen Schlacht, war der Mantel des Königs wieder zerrissen. Der König schäumte vor Wut. Er ritt zur Hütte der Näherin, doch diese war immer noch verlassen. „Findet mir die Näherin!“, brüllte er seine Männer an,“Findet sie und bringt sie zu mir!“ Doch sie konnte nicht gefunden werden. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Im Traum, nachts, erschien sie ihm. Von strahlenden Licht umgeben stellte sie immer wieder die selbe Frage. „Warum führt Ihr Krieg?“. Von dieser Traumgestalt gequält, weil er doch tief in seinem Herzen wusste, dass sie recht hatte, konsultierte der König seine besten Doktoren und Wunderheiler. Aber keine Medizin, kein Zauber konnte das innere Bild, welches der König von der Näherin hatte, zum Verschwinden bringen. So saß der König abgeschlagen, verwirrt und unglücklich auf den Stufen seines Schlosses. Seine Männer standen um ihn herum – wussten nicht was tun. Schon seit Tagen hatte der König nicht mehr Krieg geführt. Genauso wie die Waffenschmiede und Händler wurden sie immer unruhiger. Die Bäuche dünner, die Waffen stumpfer. So saß er also da, der große König. Mit gebeugten Rücken, starren Blick. Plötzlich sah er einen der Straßenjungen, der ein Stück Brot gefunden hatte. Ein anderer stützte sich auf diesen, um ihm das erbärmliche Stückchen aus der Hand zu reißen. Es entspann sich ein wilder Kampf. Schreiend, fluchend droschen die beiden Jungen auf einander ein. Das Brot fiel in die Gosse. Blutend standen die Jungen da. Sahen einander an, schrien sich an, es wäre die Schuld des anderen, dass nun das Brot in der Gosse gelandet war. Wieder schlugen sie aufeinander ein. Die Augen des Königs weiteten sich vor Erkenntnis. „Es wird niemals enden....“, sagte er, schüttelte den Kopf. Mit zitternden Händen nahm er sich seinen Mantel von den Schultern. Zerrissen, aber glänzend von Gold. Mit einem Ruck warf der König den schimmernden Mantel zu Boden. Dicke Schneeflocken fielen vom Himmel, bis sie das zerrissene Stück Stoff ganz bedeckt hatten. Es war Frühling geworden, als der König wieder an der Türe der Holzhütte, in der er im Winter die Näherin angetroffen hatte, klopfte. Auch dieses Mal kam keine Antwort. Seufzend stellte er Krüge mit Milch und Honig auf die Türschwelle. Den zerrissenen Mantel legte er daneben. Aufeinmal ging die Türe auf und die Näherin stand vor ihm. Sie war nicht verändert. Noch immer der gleiche, ruhige Blick aus großen, sanften Augen. Der König verneigte sich vor ihr und sprach,“Gute Frau..weise Frau...ich lege Euch meinen Mantel zu Füßen. Ich will ihn nicht mehr. Seht, ich bin gekleidet, wie der Geringste meiner Untertanen. Doch einen Solchen gibt es nicht mehr in meinem Volk. Denn alle sind glücklich, niemand ist mehr geringer als der andere...kommt mit mir in die Stadt, damit ich euch etwas zeigen kann....“ Die Näherin neigte den Kopf. Wahrlich, der König war nicht mehr prächtig gekleidet, auch hatte sich sein grimmer Blick gewandelt. Also stieg die Näherin hinter dem König aus sein großes Pferd. Sie ritten in die Königstadt die wahrhaftig anders anzusehen war. Fröhliche Leute säumten die Straßen, Blumen blühten an allen Ecken und Enden, Gelächter war allerorts zu hören und süße Düfte nach frischgebackenen Brot lagen in der Luft. „Seht“, sagte der König,“Euer Antlitz, welches nicht aus meinen Träumen weichen wollte, welches mir immer und immer wieder die selbe Frage stellte, hat mich krank gemacht. Ich war von Wahnsinn besessen. Doch mein Wahnsinn war ein anderer...“, er stieg von seinem Pferd, reichte der jungen Frau die Hände,“Der wahre Wahnsinn, der mich befallen hatte, trug den Namen Krieg. Trug den Namen Gier, trug den Namen Unversöhnlichkeit...Hartherzigkeit...wie konnte ich, als König, meinen Untertaten, und den Untertanten des anderen Königreiches so ungerecht gegenüber sein und die Kriegsmaschine auf Gedeih und Verderb weiter und weiter antreiben....?“ Der König zeigte auf sein bescheidenes Gewand,“Welchen Zauber Ihr auch immer über mich geworfen habt, weise Frau...ich sehe nun, dass es sich nicht lohnt eine ganze Welt in den Untergang zu treiben...Wahnsinn...ja, das ist es....Wahnsinn....“ So ward der König geheilt. All das, was er in den Gesprächen mit der Näherin noch als unnötige Utopie abgetan hatte, war wahr geworden. Der König hatte nach Jahrhundertelangen Krieg mit dem anderen Königreich Frieden geschlossen. Niemand musste mehr hungern, niemand war mehr unglücklich. Die Waffenschmiede, die nun keine mehr waren, ergingen sich ganz in der Kunst Wunderbares herzustellen. Und auch die Händler, die dünnere Bäuche hatten, waren nicht unzufrieden. Viele neue Berufe taten sich auf. Alle waren zufrieden. Die Näherin sah auf den König,“Mein König, ihr habt Euch selbst geheilt...ich hatte keinen Anteil daran. Ich habe nur Euren Mantel genäht....“ Nickend antwortete der König,“Ihr seid eine wahrlich weise Frau...Ihr habt nicht nur meinen Mantel wieder zusammen gefügt, sondern letztlich und vor allem...mein Herz....“ Wie es in Märchen ist, heirateten der König und die Näherin. Sie regierten weise, gerecht, mit Verstand und Herz über viele, viele Jahre. Alles war gut. Frieden und Freude fand Einzug in die Herzen der Menschen. Milch und Honig flossen aus allen Brunnen. Und eines Tages vergaßen sie sogar, was das Wort Krieg bedeutete. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute. Sonjuschka r Bearbeitung hier klicken.
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Uff. Was für ein Tagerl. Draußen singen die Vögel, es wird gaaaaaaaaaaaanz langsam wieder wärmer - der Frühling kommt. Oder in liebevoller Anlehnung an die "ich hau dir mit dem Schwert auf deinen Helm und besiege ein paar Whitewalkers" Kultserie Game of thrones - Spring is coming. Im Winter ist man wintermüde. Im Frühling ist man frühlingsmüde. Und wenn man sich noch ein paar Phobien und depressive Verstimmungen leistet ist man auch in diesem Falle irgendwann müde davon. Wie gerne wäre ich dann eine mit glänzender Brustplatte bewerte Schildmaid aus Game of thrones. Meine Feinde wären sichtbar, physikalisch angreifbar und ich würde sie mit einem Schwertstreich besiegen. So einfach wäre das. Und den hübschen Helden der Geschichte würde ich auch bekommen. Nun. Einen hübschen Mann habe ich schon. Bin auch "Quenn of my castle", habe eine Battlecat (in Anlehnung an He-Man) und bin doch recht glücklich. Wäre da nicht "meine" Angst. Und die depressiven Verstimmungen. Dieses energielose am Boden schleifen. Seine gute Laune mit der Nase am Boden in den Trüffeln suchen. Ach. Ja, ich tue mir im Moment sehr leid. Warum? Ich habe heute wieder meine Therapie aufgenommen. Für alle die es nicht wissen, ich leide an einer Panikstörung mit einer ausgewachsenen Agoraphobie. Ich lebe damit seit 20 Jahren. Meine Phobie macht es mir beim U-Bahn fahren schwierig, da ich den Raum von zwei Metern von der Stationswand bis zur Türe der U-Bahn nicht überqueren kann, ohne in Todespanik zu verfallen. Das selbe auf weiten Plätzen, Aufzügen, Brücken, und so weiter....mal ist es besser, mal ist es schlechter. Im Moment ist es schlechter. Ich lebe sozial zurückgezogen und meine Welt ist sehr klein. Im Moment. Ich finde mich selbst doof, weil ich mich "von der Angst" so unterbuttern lasse. Aber nichts geschieht ohne Grund. So sagt man. In weiteren Sinne kann ich sagen, dass mein Unterbewusstsein dann und wann auf die Bremse drückt, wenn mir etwas zuviel ist, wenn mich etwas belastet, wenn etwas eventuell unangenehmes geschieht...an und für sich dient Angst im "Normalgebrauch" als Schutzfaktor. Eine Phobie ist sozusagen eine renitent gewordene Schutzvorrichtung. Medikamente können helfen - ich nehme keine - aber das, was wirklich, WIRKLICH (leider) hilft ist Exposition. Sich der Sachen stellen. Da stehen sie nun die Whitewalkers und wollen über den großen Eiswall in mein Königreich. Ihre kalten Hände strecken sich nach mir aus und machen ich handlungsunfähig. John Snow - ich weiß, dass du nichts weißt - aber bitte, kannst du zu meiner Errettung kommen? He- Man? Oder Kahleesi? Du hast Drachen......wusch, sind die Whitewalkers weggeschmolzen.... Nein...ich befürchte so wird es nicht gehen. Zu mindestens nicht im Reallife. Das Gehirn, so habe ich gelernt kann Verhaltensweisen (in diesem Fall Ängste) erlernen und auch wieder verlernen. Dafür muss man sich in die angstauslösenden Situationen begeben, den schlimmsten Punkt seiner Angst durchstehen bis sie wieder abebbt. Das heißt unglaublichen Terror - ich übertreibe nicht - durchstehen, bis man feststellt, aha, ich lebe noch. Soweit die Theorie. In einer meiner letzten Therapiesessions habe ich mir 20cm alleine stehend auf einer Brücke erkämpft. Das habe ich zum ersten Mal seit 20 Jahren gemacht. Mich bewusst, unter Anleitung und Hilfe der Therapeutin, der Angst ausgesetzt. Es war schrecklich. Ich habe geschwitzt wie ein Schwein - Pardon den saloppen Ausdruck. Ich habe absolute Panik bekommen und wollte weglaufen. Aber ich habe es geschafft. Natürlich frage ich mich wie ich das z.B. bei der U-Bahn machen soll. Umgeben von lauter Menschen, wie soll ich da ein Drama abziehen? Schreiend, weinend, schwitzend....? Schritt für Schritt. Zentimeter für Zentimeter. Mit der Stärkung des Inneren wird es machbarer und besser werden. Denn weglaufen möchte ich nicht mehr. Ich bin müde davon. Ich habe zu lange damit gelebt. Ich weiß, "meine Ängste" werden nie ganz weggehen - das ist einfach wie ein Auspuff bei einem Auto. Aber sie können soweit zurück gehen, dass ich wieder "normal" leben kann. U-Bahn fahren, über Brücken gehen, mit dem Aufzug fahren. Und so weiter..... So reiche ich meinen inneren Whitewalkers die Hand - ich weiß sie sind eigentlich da um mich zu beschützen - aber ich werde ihnen dankend sagen, dass sie nicht mehr so renitent sein müssen. Ich lade sie auf eine Tasse Tee ein und wir werden uns gemütlich hinsetzten. Das Leid, das ich durchaus dann und wann sehr intensiv empfinde, allein schon weil ich mich schäme auf perfide Art und Weise, verpacke ich gerne in Humor. Aber da es viele Menschen da draußen gibt, die genauso mit ihren Dämonen und Whitewalkers zu kämpfen haben ist Scham vielleicht ein unangebrachtes Gefühl. Es ist gut zu wissen, dass man nicht alleine in seinem Drama ist. Das Leben ist schön und ich möchte wieder ein bisschen Helligkeit - jetzt wo der Frühling kommt und alles aus dem Winterschlaf erwacht. Eines Tages möchte ich entspannt in der U-Bahn sitzen, nach dem ich es entspannt geschafft habe einzusteigen. Freunde besuchen, ins Museum gehen.......... Bis dahin brennt die Flamme der Exposition und der Hoffnung hell.... Als ich ein Kind war gab es Tricotronics. Da war ich ungefähr 4 Jahre alt und im Kindergarten. Es war eine technische Neuerung, die Staunen bewirkt hat. Donkey Kong auf der Baustelle, Fässer werfend. Ein paar Jahre später kam der Gameboy. Entzückt tauchten wir Kinder in die virtuelle Welt ein und sahen dem Super Klempter Mario mit italienischen Wurzeln beim "über die Gräben springen und die Prinzessin retten" zu. Beziehungsweise - wir sahen nicht zu, wir waren aktiv durch die Steuerung der Game-Tasten dafür verantwortlich ob die Prinzessin vor dem Bösewicht gerettet wurde oder nicht. Danach folgten Gamekonsolen wie der Sega Mega Drive, Nintendo, Nintendo 64 (zum ersten Mal in Klemptner Super Mario in 3D!!!!) und schlussendlich die sagenumwobene Playstation. Die auch gleichzeitig der Ruin für einige Gamekonsolen war. Die weitere Entwicklung gehört fast zum Allgemeinwissen. Was für ein Hype! Eine ganze Generation saß gefesselt vor den Bildschirmen (Fernseher oder PC) und spielte sich durch unglaubliche Welten, die Abenteuer und Nervenkitzel verhießen. WOW...World of Warcraft, Starcraft, Diablo....Welten, in denen man ein Held, ein Zwerg, ein Alienoverlord, eine sexy Waldelfe sein konnte...alles war möglich! Und das Reallife? Der Gameheld, der schwertschwingend und muskelbepackt durch Fantasiewälder stapft ist im Reallife möglicherweise ein junger Mann, der gerade seine KFZ Ausbildung macht. Oder ein Anwaltsanwärter. Oder eine Verkäuferin. Sind diese Berufe so spannend wie "Held sein"? Ist denn unsere moderne Welt so langweilig? Ich habe einige Menschen kennengelernt, die sich total in Spielen verloren hatten, da für sie das Leben außerhalb der Spiele perspektivenlos war und nicht aufregend. Junge Leute, die nicht wussten, was sie mit ihren Leben anfangen sollten, da die möglichen Berufe nicht sonderlich attraktiv waren. Perspektiven. Ein spannendes Leben. Möglichkeiten etwas zu erleben, einen Beruf zu ergreifen, der erfüllend ist. Es kommt natürlich immer auf die persönliche Einstellung an. Doch...wenn man einen Beruf ergreifen möchte, wie zum Beispiel Fotograf bei National Geographic, Tiefseetaucher oder Meeresbiologe, dann sollte man es versuchen und sich nicht von den vorgegebenen Bahnen/Berufen/Möglichkeiten von seinen Träumen abbringen lassen. Man kann sein Leben sehr gut selbst pfeffern. Man muss nur den Schritt in die Richtung zur Ermöglichung wagen. Sich loslösen von althergebrachten Vorstellungen, von gut gemeinten Jobvorschlägen beim Ams zum Beispiel. Möchten Sie Stapelwagenfahrer werden? Nichts dagegen einzuwenden, aber für manche Menschen ist das einfach nicht erfüllend. Was ich hier sagen möchte ist: you can do it, if you want to. Die Kraft des eigenen Willens ist nicht zu unterschätzen. Wenn du, lieber Leser, ein Mensch bist, der das Abenteuer und die Würze im Leben suchst, dann geh hinaus und schau, wie du deine Ziele erreichen kannst. Du wirst vielleicht keine sexy Waldelfe sein oder ein zaubernder Zwerg, aber vielleicht eine Ornithologin, die Weltbestseller schreibt, oder ein Wissenschaftler, der zur Rettung der Welt ein neues Energiesystem erfindet, ein Konditor, dein eigenes Geschäft aufmachen, oder, oder, oder, oder..... Es geht hier nicht darum mit dem erhobenen Zeigefinder schulmeisterlich dazustehen, sondern einen Funken sichtbar zu machen. Geh raus in die Welt und versuche es. Bleib nicht im Wohnzimmer und spiele dein Leben - lebe es. Du bist stärker als du denkst. Es war einmal ein Seemann der fuhr auf hohe See. Es war ein schöner Morgen als ein Seemonster das Schiff angriff. Die Männer schrien. Das Schiff ächzte und drohte zu kentern. Vor Angst quollen ihnen die Augen über. Das Monster zerrte und zog am Schiff. Es gab kein Entrinnen. An die Masten geklammert konnten die Seemänner nur in den tiefen Schlund des Monsters sehen, der weit aufgerissen war, wie um sie alle zu verschlingen. Doch nichts geschah. Nach einer Weile befreite das Monster das Schiff aus seiner grausigen Umarmung - mysteriös wie es gekommen war, zog es all seine Fangarme zurück und verschwand unter der Meeresoberfläche. Die Männer wussten sich keinen Rat. Was war hier geschehen? Sie hatten einen Heidenschreck erhalten, doch das Schiff war intakt und niemand war zu Tode gekommen. Plötzlich rief der Seemann: Seht! Das Monster hat das Schiff eine Stück weit mitgezogen!!! Verwundert hoben die anderen Männer die Blick zu ihm auf. Er rief den Arm in die Richtung schwenkend aus der das Schiff gekommen war:"Seht! Da war ein Korallenriff!!! Wir wären elendiglich zu Grunde gegangen, wenn wir darauf aufgefahren wären! Das Monster hat uns gerettet!!! Wie ist das möglich?" Und doch war es so. Wäre das Monster mit seinen furchtbaren Tentakeln, seinen Reißzähnen, seinem tiefen unbarmherzigen Schlund nicht gewesen - das Schiff wäre seinem Schicksal überlassen gewesen. Die Männer schwenkten ihre Mützen, riefen dem Monster, welches nicht mehr zu sehen war, Dankesworte hinterher und setzten ihre Fahrt vor. Der Seemann allerdings stand mit nachdenklich verschränkten Armen auf der Reling. Weit erstreckte sich die blaue glitzernde Fläche des Ozeans. Dann und wann schoss ein Delphin an die Oberfläche um knakernd und quietschend wieder unter der Oberfläche zu verschwinden. Monster...dachte, der Seemann bei sich,...bist du gar mein Freund? Auch wenn du so schrecklich bist? Moral von der Geschichte: Angst dient im prinzipiell als Schutzfaktor. Im Laufe eines Menschenlebens können verschiedenen Mechanismen zu einer Überreaktion dieses Schutzfaktors führen. Das Gehirn lernt in und mit der Angst und kann aber alles Erlernte wieder verlernen. Das ist die große hoffnungsgebende Fakel im Sturm. Und solange das Gehirn noch nicht "zurück-gelernt" hat, ist es nicht schlecht, das Monster - auch wenn es Klauen und Zähne hat - dann und wann zu streicheln. Vielleicht wird es dann ganz brav, rosa und entpuppt sich als gar nicht so monströs. Denn wir dürfen nicht vergessen: es kam in die Welt um zu schützen. Meine Freundin hat mich gestern gefragt: "Wann kommst du wieder mal in die Stadt? Geht es dir schon besser mit den Ubahnen?" Nein - es geht mir noch nicht besser. Ich fahre nicht mit der Ubahn. Der Gedanke daran läßt alles in mir erstarren. Menschen. Stadt. Ubahn. Urban. Brücken. Aufzüge. Große Plätze. Enge Gassen. Zuviel. Angst. Unverständnis. Angst. Seit 19 Jahren habe ich eine Begleiterin und sie heißt Agoraphobie. Sie ist eine der Phobien aus der großen Familie der "seelischen Beeinträchtigungen". Sie geht mit mir Hand in Hand und obwohl ich sie manches Mal davon überzeugen kann mich eine Zeit lang alleine meines Weges gehen zu lassen, kehrt sich doch immer wieder zurück - nach ihrer Meinung, war sie niemals weg, nur leise, aus ihrer Sicht beschützend im Hintergrund. Ich habe mich entschlossen, da sie ein Teil von mir ist und auch Gründe hat da zu sein, sie nicht zu bekämpfen. Denn sie ist die Schutzpatronin meines Inneren Kindes und die kann ich doch nicht auf den Mond schicken? Was ich allerdings klar gemacht habe, da das Leben mit ihr - und auch ihren Cousinen die dann und wann auf Besuch kommen (Depression, ect) - schwierig für mich ist. Ich kann nicht mit der Ubahn fahren - nicht weil ich Angst vor Ubahnen habe, sondern weil ich nicht ein - und aussteigen kann. Ich kann beim Einsteigen einfach diese zwei Meter, die mich von der Ubahn trennen nicht überqueren. Ich erstarre, ich bin in absluter Panik, mir wird übel, schwindling, mein Herz rast, ich habe das Gefühl dass ich "in den Boden falle". Meine Welt hat sich in den Jahren sehr verkleinert. Manchmal war es so schlimm, dass ich es nicht vor die Haustüre geschafft habe. Deswegen habe ich Agora - so nenne ich sie - wissen lassen, dass ich gerne wieder leben würde. Uneingeschränkt. Ohne Angst. Frei. Sie hat nachgedacht und gemeint Exposition würde helfen. In der Theorie und in der Praxis. Sie sei durchaus einverstanden sich auf Sicherheitsabstand zurück zu ziehen, wenn ich gut auf mich und mein Inneres Kind aufpassen würde. Sie ist ja die Beschützerin. Liebe Agora - geliebte Phobie - es wird Zeit, dass du mich stärker werden lässt, denn ich bin es. Ich möchte wieder frei atmen. Ich möchte meine Freunde in anderen Bezirken besuchen. Ich möchte reisen. Ich will leben. Ich weiß du bist nicht wirklich meine Feindin, aber es die Mechanismen die dich ausgelöst haben sind nicht mehr vakant. Ich kann. Ich will. Und so wie viele andere da draußen mit ihren "seelischen Begleitern" Hand in Hand durch das Leben gehen, gehe ich mit dir. Diese Geschichte über uns - unsere Zwiesprache und das was wir erlebt haben, erleben werden und in Geschichten umformen - ist all jenen gewidmet die ebenfalls die Tiefe und die Dunkelheit des Lebens kennen. Egal ob Phobien, Depressionen, Burnout, ect. Unsere Geschichten, liebe Agora, soll ihnen ein Licht sein, damit sie vielleicht auch Frieden schließen können. Heilen können. Leben können. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Aus dem Lexikon (Quelle Wikipedia) Als Agoraphobie (altgriechisch ἀγορά agorá ‚Marktplatz‘ und φόβος phóbos ‚Furcht‘), in der Fachsprache auch Platzangst genannt, bezeichnet man eine Angststörung, die durch bestimmte Orte und Situationen wie weite Plätze oder Menschengedränge ausgelöst wird. Betroffene vermeiden die auslösenden Situationen und können im Extremfall nicht mehr die eigene Wohnung verlassen. Eine Agoraphobie liegt auch dann vor, wenn Menschen angstbedingt weite Plätze oder Reisen allein oder generell meiden. Allen diesen Situationen ist eine Angst vor einem Kontrollverlust gemeinsam.[1] Die Betroffenen befürchten so etwa, dass sie im Falle einer Panik oder potentiell bedrohlicher Körperzustände nicht schnell genug flüchten könnten, Hilfe nicht schnell genug verfügbar wäre oder sie in peinliche Situationen geraten könnten. Die Agoraphobie tritt häufig zusammen mit einer Panikstörung auf.[2] Die Angst vor weiten Plätzen wird in der Psychologie Platzangst genannt, ein Terminus, der in der Umgangssprache für den entgegengesetzten Angstzustand verwendet wird, nämlich die Klaustrophobie (Angst vor engen Räumen), die in der Fachsprache als Raumangst bezeichnet wird (isolierte Phobie gemäß der Norm ICD-10 F40.2). Reisetagebuch "Auf der Teichalm ist ne Wienerin die doch ein Landmädl ist, auch wenn sie nicht so trittfest allen Kuhfladen ausweichen kann und höchst ungrazil durch Bäche und das Unterholz steigt" Kurz zur Erklärung wie es dazu kam, dass ich mich auf der wunderschönen Teichalm befinde: es ist Sommer. Endlich. In diesem Jahr, und es ist das Jahr des Herrn 2000 und 13, hat das schöne Land Österreich einen langen Winter erlebt, der bis in den April hinein angedauert hat. Dann und wann genossen die sonnen hungrigen Österreicher ein paar schöne warme Tage, doch erst jetzt im Juni wollte das Wetter das tun, was es eigentlich standesgemäß tun sollte - schön sein. Seit einer Woche haben wir nun Temperaturen um über 30 Grad. Dank der Erderwärmung, dem Treibhauseffekt, dem Abkühlen des Golfstroms und des Schmelzens der Eisberge an den Polkappen erlebte die Menschheit jetzt schon einen kleinen Vorgeschmack auf zukünftige Wetterkapriolen. Wissenschaftler sagen, dass wir auf einen neue Eiszeit zu gehen und dass Küstenstädte wie New York in vielen Jahren unter Wasser sein werden. Findige Leute aus der Tourismusbranche werden sicher aus diesen Umständen Kapital schlagen - zum Beispiel mit Unterwassertouren durch Venedig und New York. Wie dem auch sei, die Sonne hat dieses Jahr sehr lange auf sich warten lassen. Dementsprechend war der psychische Zustand der Menschen nach so vielen grauen Tagen nicht am Höchststand und alle schrien sie nach der Sonne. Abseits davon hatte das Menschengeschlecht erst im letzten Dezember, um genau zu sein am 21. Dezember 2012, den von den Mayas prophezeiten Weltuntergang überlebt. Kurz gesagt, die allgemeine Stimmung war am Boden und verlangte nach ein wenig Freude, Bikinis und Cocktails in der Sonne. So auch die Meine. So, und wer ist nun die Verfasserin dieser poetischen Worte? Der Name der mir gegeben wurde ist Sonja Margit Frederike (den Nachnamen wollen wir nicht nennen, um etwaige Verklagungsversuche abzuwenden). Meines Zeichens Malerin, Wortakrobatin (vor allem was die Rechtschreibung betrifft), liebende Tochter, Schwester, Frau und Freundin. Mensch. Ich zähle 30 und 1 Jahr und liege im Moment im Bett, welches mir auf der Teichalm zur Verfügung gestellt worden ist. Ich entschied mich vor ca. 6 Jahren meine Arbeit im Kunsthistorischen Museum Wien zu verlassen um mich ganz und gar der Kunst zu widmen. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen, zu dem mich mein Lebenspartner und zukünftiger Ehemann ermutigt hatte. Ich bin immer schon eine immens kreative Pinselschwingerin gewesen und auch das Schreiben ist eine meiner Passionen gewesen. Nur hatte ich nie den Mut auch etwas daraus zu machen. Bis zu dem Tag als mein Zukünftiger, während wir in einem Lokal Getränke zu uns nahmen und einige ausgestellte Bilder von Künstlern betrachteten, meinte - "Das kannst du auch.". So geschah es dann auch. Mittlerweile kann ich viele Ausstellungen verbuchen und kann wirklich ohne Übertreibung sagen, dass ich mich die letzten Jahre hochgearbeitet habe. Ich habe viele Leute kennen gelernt, viel unternommen und es geht Stück für Stück weiter. Da man von der Kunst alleine nicht leben kann, war ich die vergangenen zwei Jahre bei einem Erotikmagazin beschäftigt. Dies war sicherlich eine der spannendsten Jobs die ich je ausgeübt habe. Von Brustwarzen - einreiben mit Eiswürfeln bei Fotoshootings bis Titelstories schreiben war alles dabei. Ja, das war und ist ein Teil der Glitzerwelt, die Normalsterbliche nur als Zuschauer im Fernsehen erleben. Doch mehr dazu später. Nun hole ich tief Luft und komme zum Anfang zurück. Künstlerin sein, ein Haus mit pflegebedürftiger Schwiegermutter zu managen, einen Zukünftigen zu haben, eine liebende Tochter bzw Schwester sowie eine gute Freundin zu sein, und so weiter, ist manchmal ganz schön anstrengend. Als Künstlerin befindet man sich auf einem Freiflug ohne Sicherheitsgurt oder Fallschirm. Es kommt immer auf die eigenen Bemühungen an (und auch auf Glück) wie weit man in diesem Business kommt. Mit zwei Worten gesagt - manchmal zermürbend. Aus diesem Grund und auch weil ein guter Freund von mir vor kurzen das Zeitliche gesegnet hatte, entschied ich mich für eine kleine Auszeit. Ein paar Tage für mich, nur mit Kühen, Kuhfladen, einem ausgeborgten Laptop, einem tollen ausgeborgten Buch und Gottseidank mit meinen eigenen Wanderlatschen. Und ja, mein Kopf ist auch, Gott sei es wieder gedankt, ganz und gar Meines. Die Teichalm befindet sich im schönen Steirerländle und verfügt, wie der Name so wunderbar verrät über einen Teich. In dem allerdings nur Hardcore Schwimmer baden, da es so viele Wasserpflanzen gibt. Das Haus in dem ich so herzlich aufgenommen worden bin, gehört meinem ehemaligen Mitbewohner/Vermieter. Als ich zarte 23 Jahre war lebte ich eine Zeit lang in einer Wohngemeinschaft mit einem netten jungen Mann, dessen Namen ich hier nicht nennen will, da er mir noch nicht seine Unterschrift und Einwilligung für die Erwähnung seiner Personaldaten gegeben hat. Manche Freundschaften halten über Jahre. So auch diese. Frech wie ich bin, fragte ich ihn einfach, ob ich ein paar Tage bei ihm auf der Alm verbringen dürfte. Freundlich wie er nun mal ist, sagte er nicht nein. Ob er es jetzt schon bereut? Wer weiß, er ist es gewöhnt mit seinem stattlichen Halbhuskischäferhund zu leben und eine Frau im Haus, oder generell ein anderes menschliches Wesen verlangt schon eine gewisse Nervenstärke. Zum Beispiel wenn ich zum dritten Mal zu ihm komme um dem Laptop mit dem, nur ihm bekannten Passwort zu entsperren. Der Arme. Trotzdem meistert er den Umstand meines Daseins ganz gut bis jetzt, auch wenn ich vorhin schon eine leichte Rotfärbung seines Gesichts bemerkt hatte. Natürlich auf Grund einer meiner Fragen. Und noch einmal, der Arme. Doch ich bemühe mich. Das Haus ist sehr schön gelegen, mitten in einem kleinen Wäldchen, am Rande einer der vielen Hügel. Von früh bis spät hört man nur Kuhglocken, Bienengesumme, Vogelgezwitscher und vorbei fahrende Autos. Ahja, und den kleinen Bach natürlich, der beim Nachbarhaus vorbei rauscht. Es ist also eine Idylle wie aus einem Touristenkatalog. Besuchen Sie die Steiermark - das grüne Herz Österreichs! Mein Trip mit dem Zug Ich bin nicht wirklich eine "Alleinfahrerin". Doch mit meinen imposanten 31 Jahren, meinem eloquenten Auftreten und Charme sollte man meinen, dass "Alleinefahren" kein Problem für mich ist. Ist es aber doch. Ich wohne zwar in der Stadt, doch manchmal fühle ich mich wirklich wie eine der Hauptdarstellerinnen aus einem guten alten, Technicolor Film der zu Zeiten des Kaisers Franz Josef spielt. Indem eine junge, naive Frau vom Land zum ersten Mal in die Stadt fährt. Alleine. Mit dem Zug oder der Postkutsche und auf diesem Weg so einiges erlebt. Bei mir eben nur umgekehrt - von der Stadt, hinaus aufs Land. Da ich Herrin über ein paar Neurosen und Ticks bin, ganz wie es einer grenzgenialen Künstlerin entspricht, habe ich Probleme mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Nicht mit allen. U-Bahnen sind bei mir höchst unbeliebt. Das war Mutprobe Nummer Eins. Um zum Bahnhof zu kommen, musste ich also U-Bahn fahren. Ich schaffte es. Mit meinem Einkaufswägelchen, das randvoll mit meiner Ausstattung gepackt war, tourte ich durch die weiten Bahnhofshallen um die Ticket Verkaufsstelle zu finden. Eine meiner Liebslingsneurosen ist die Agoraphobie. Das ist Griechisch und benennt die Angst vor weiten Plätzen. An mein Wägelchen geklammert versuchte ich also mit einem einigermaßen normalen Gesichtsausdruck den richtigen Weg zu finden. Ich schwitzte ob so vielen Excitements. Meine Qualen waren beendet als ich endlich beim Ticketschalter ankam. Es war 10:55. Zu meinem Glück verkaufte mir ein sehr netter, Dialekt sprechender Herr eine Karte nach Bruck an der Mur. "Grüß Gott, ich hätte gern eine Karte nach Bruck an der Mur.", ich rrrrollte schön das R, da ich in angespannten Situationen gerne übertrieb, sicher ein Erbe meiner schauspielernden Großmutter. "Kein Problem junge Dame. Da näxte Zuag geht um 11:03. Den erwischens no." Ich schrie fast auf, "Das sind ja nur 8 Minuten!" "Zeit gnua. Während Sie mit mia redn, hob I Ihna scho die Kortn verkauft. Sie müssn aussi, rechts ummi, auffi, Bahnsteig 5…" Ich tat wie mir geheißen, bezahlte und rannte aussi, rechts ummi, auffi und zum Bahnsteig Nummer 5. Ich bestiegt den wartenden Zug, suchte mir einen Sitzplatz, zu meiner Freude am Fenster und atmete erleichtert auf. Mutprobe Nummer 2 geschafft. Ich saß im Zug. Es konnte los gehen. Der Retter in der Not oder meine Bekanntschaft mit dem Skywalk Die Zugfahrt über den Semmering, einer Gebirgsformation, gehört eindeutig zu den Highlights. Lange und in vielen Kurven winden sich die Gleise auf die gebirgigen Höhen um dann wieder sanft abzufallen. Eine wahrhaftige Ingenieur Leistung der Erbauer. Ich konnte mich im Zug recht gut entspannen, auch wenn mir die Aircondition Kopfschmerzen verursachte. Doch zu viel wollte ich mich nicht beschweren! Pünktlich kam der Zug in Bruch an der Mur an, wo der nette junge Mann mich abholen wollte. Beschwingt stiegt ich aus um meine Schritte Richtung Ausgang zu wenden. Vertrauensvoll folgte ich den Schildern Richtung Ausgang um dann mit einem kleinen Schock stehen zu bleiben. Vor dem, durch eine Baustelle versperrten Ausgang prangte ein Hinweis mit den Worten "Ausgang nur über den Personensteg Skywalk möglich". Das hatte ich nicht erwartet. Meine gesamte Selbstsicherheit verschwand in den Keller. Ängstlich besah ich mir diesen "Skywalk". Wahrhaftig. Er war seines Namen würdig. Ein Ding aus Glas hoch über den Gleisen. Na Servus. Und das einem Höhenphobiker. Bei dieser Gelegenheit dachte ich mir wiedereinmal - denken denn moderne Architekten denn garnicht an Menschen wie mich? Menschen mit Höhen - Platz - und sonstigen Ängsten? Nein, offenbar nicht. Ich machte im Stillen ein Memo an mich. Falls ich jemals Politikerin werden sollte, wollte ich mich für alle Phobiker einsetzten und eine Phobiefreundlicherer Architektur im öffentlichen Bereich sorgen. Überwinde dich, überwinde dich, ist ja garnicht so schlimm, sagte ich mir immer wieder. Aber ich war wie paralysiert. Ich beobachtete die anderen Leute, wie sie ohne Probleme über den Steg gingen, um dann den ebenfalls aus Glas gefertigten Auszug zu benützen. Wie machten sie das, fragte ich mich. Ich kann doch wirklich nicht die Einzige sein. Aber hier, auf diesem Bahnhof, in Bruck an der Mur, mitten im schönsten Sonnenschein, war ich die einzige "Spinnerte", die sich nicht über den Skywalk traute. Meine eigenen Unfähigkeit trieb mir fast die Tränen in die Augen. Gehetzt sah ich mich nach dem Bahnhofsmitarbeiter um, der mir vielleicht freundlicherweise seinen starken Arm leihen würde. Fehlanzeige. Schweren Herzens und böse auf mich selbst rief ich meinen lieben Freund an. Er war draußen vor dem Bahnhof. Kleinlaut bat ich ihn mich vom Bahnsteig abzuholen, da ich Schwierigkeiten mit dem Skywalk hatte. "Es ist alles aus Glas und hoch…." Obwohl er sein Auto an einem ungünstigen Ort geparkt hatte kam er mitsamt Hund. Natürlich versuchte er seinen Mimik im Zaum zu halten, doch ich sah ihm seine Verwunderung ob dieser Situation an. Kein Wunder, eine holde Maid vor einem bösen Skywalk zu retten ist keine alltägliche Sache. Ritterlich, wie er nunmal war, reichte er mir seinen Arm, fuhr mit mir im Aufzug, rannte mit mir über den Sykwalk und fuhr mit mir wiederum mit dem Aufzug hinunter. In Schweiß gebadet fiel ich meinem ritterlichen Retter um den Hals. Er meinte etwas verschämt, "Ist schon gut, ist schon gut…" Dankbar den Schock überwunden zu haben und vor allem auf Verständnis gestoßen zu sein, nuckelte ich an meiner Zigarette als wäre es Ambrosia aus den Amphoren der Götter. Mutprobe Nummer drei nicht ganz geglückt Auch Omas sind noch Kinder oder auf Therapie am Land Es ist mittlerweile der dritte Tag meines Aufenthaltes am Land. Ich sitze im Schneidersitz auf dem angestammten Platz meine Halbhuskischäferhund-Freundes. Er wird mir bestimmt nicht böse sein, da er den lauschigen Schatten unter den Bäumen im Moment vorzieht. Und immerhin bin ich Hund im chinesischen Sternzeichen, fühle mich also pudelwohl auf einem Hundesofa. Neben mir, um die Kreativität und die voran gegangenen tierschürfenden Therapiegespräche zu verdauen, steht ein Glas Wein. Einen Schluck habe ich immer noch im Mund, weil ich so konzentriert schreibe. Tief einatmen. Augen schließen und das Vogelgezwitscher hören. Auch die Sonne lächelt auf mich herab, was meiner blassen Haut sicherlich gut tun wird. Ich bin kein einfacher Mensch wie ich schon anfänglich erwähnte. Voller Unsicherheiten, voller Ängste - schwierig, aber durchaus sehr liebenswert. Als Künstlerin rede ich mir gerne ein, dass diese psychischen Imponderabilien der Preis für meine unglaubliche Kreativität ist. Wer weiß. Ich bin auf der Alm aus Therapiezwecken. Um zu mir selbst zu finden. Um zu schreiben, um zu leben. Um den Tod meines Freundes zu verdauen, um mich von der Hochzeit von letzten Samstag zu erholen, bei der ich gebeten worden bin mit einem Freund die Moderation zu übernehmen. Moderation auf einer Hochzeit fragen da die Leute? Ja, Moderation auf einer Hochzeit. Früher hätte man uns als Zeremonienmeister bezeichnet. Es war schön und eine Ehre, aber alles in allem, inklusive der Betreuung des Sohnes meines verstorbenen Freundes, der übrigens auch Künstler gewesen ist, allerdings ein Musikus und sogar bekannt, dem Bemalen der Urne, die Vorbereitungen für die Hochzeit - ja, alles in allem war es sehr anstrengend gewesen. Ich lechzte also nach Ruhe und Selbstfindung, sowie der Überwindung einiger Ängste, die ich mein Eigen nannte. Als mein ritterlicher Freund mich vom Bahnhof endlich sicher in seinem Auto sitzen sah fuhren wir auf die Teichalm. Dort nahmen wir einen Willkommensschluck zu uns. Ich genoss das Panorama, welches sich mir ausladend bot. Die Kühe, ihre bimmelnden Glocken und die Touristen von aller Herren Länder. Denn, so müssen die werten Leser wissen, die Teichalm ist nicht unbekannt. Wir redeten über Gott und die Welt. Erkundigten uns gegenseitig nach unseren Familien und Freunden. Als wir uns upgedatet hatten, traten zwei ältere, sehr sympathische Damen auf uns zu. Diese Damen hatten schon vorher das örtliche Ringelspiel für sich benützt, worüber wir erfreut gelächelt hatten. Es war schön gewesen zwei stattliche Frauen im Zustand solcher Kindesfreuden zu sehen. Sie baten uns um ein Foto. Sicher, kein Problem. Mit zwei Kameras bewaffnet rüsteten wir uns für das außergewöhnliche Fotoshooting. Die Damen hatten ihren Spass. Quietschvergnügt drehten sie sich am Ringelspiel Runde und Runde, lachend wie kleine Kinder. Bei diesem Anblick ging mir das Herz auf und ich machte wieder ein Memo an mich selbst. Wenn du alt bist, so sagte ich mir, versuche es den Damen gleich zu tun. Vergiss nie das Kind in dir, sonst ist man nie erwachsen. So wie es immer auch meine liebe Mutter lehrte. Recht hatte sie. Ich sah diese charmante Episode als ersten Wegweiser auf meiner Reise zu mir selbst. Beim Haus angekommen bezog ich zuallererst mein Zimmer. Mir wurde frei gestellt zwischen den einzelnen Schlafmöglichkeit zu wählen. Natürlich okkupierte ich das größte Schlafgemach mit Balkon und Blick auf die umgrenzenden Hügel. Beim Anblick des Doppelbettes dachte ich mir, fein - genug Platz für mich. Doch es knarrte laut und vernehmlich, als ich eine Liegeprobe machte. Ob ich da gut schlafen könnte? Es würde sich noch weisen. Tatsächlich schlief ich sogar recht gut. Allerdings witzelte ich mit mir selbst, für gewissen Sport wäre dieses Bett alleine schon aus Tontechnischen Gründen nicht geeignet. In meinen Fall war das aber egal, denn ich würde alleine in dieser Schlafstatt liegen. Abseits meines Kuschelpolsters natürlich. Der folgende Abend gestaltete sich angenehm. Wir führten interessante Konversationen, gingen spazieren und genossen die Stimmung. Dennoch darf man sich das Gehen auf einer Weide nicht so einfach vorstellen. Beschuht mit meinen Stadtlatschen, sprich Sandalen, die ich übrigens die letzten drei Jahr aus Geldmangel immer wieder mit meinen Acrylfarben und Lack restauriert hatte, versuchte ich einigermaßen elegant über das saftige Grün zu schweben. Weit gefehlt. Von der Weite aus betrachtet muss ich wahrscheinlich wie der erste Mensch am Mond ausgesehen haben. Oder wie ein Sumoringer auf einem schwankenden Schiff. Rutschend und fluchend stakste ich über die Weide. Sicherlich ein Anblick für Götter. Meiner lieber Freund konnte sich das Lächeln nicht verkneifen. Sogar einen Bach durchquerten wir. Wobei ich mich dabei garnicht so schlecht anstellte. Das kühle Wasser um meine Füße spürend, watete ich auf die andere Seite des Baches. Für einen Städter macht es schon einen großen Unterschied, ob man sich auf Asphalt oder im freien Gelände bewegt. Doch auch dieses überlebte ich, obwohl ich mich unendlich dämlich fühlte. War ich doch eigentlich ein Landkind durch und durch. Das Stadtleben verweichlicht, wie ich anhand meines Über-die-Weide-stacksens feststellen konnte. Ja, ich liebte das Land. Den Duft, die Bäume, die Vögel, die Kühe, die Weite. Keine Hochhäuser, keine Gassen, keine schicken Leute, die stets geschäftig immerzu umher rannten. Nur Bauern die nach ihrem Vieh Ausschau hielten, Wanderer auf den sanften Hängen und ich mittendrin. Die Liebe zum Land habe ich meinen Eltern zu verdanken. Obwohl wir nie viel Geld hatten, schafften sie es uns, das heißt mit und meinem Bruder Urlaube am Bauernhof zu ermöglichen. Hohenberg. Ein magisches, mit viel Sentimentalität gefärbtes Wort. Hohenberg, sanftes, schönes Hohenberg. Für Kinder, sowie Erwachsene ein perfekter Ort. In Niederösterreich, an der gurgelnden Trassen gelegen, ein Ort der Harmonie und Ruhe. So, zumindestens in meiner Erinnerung. Für die Bewohner sicherlich zu Tode langweilig. Doch Hohenberg hatte alles zu bieten, was man sich wünschen konnte. Eine Burgruine, einen See, Wasserfälle, einen Steinbruch in dem wir Kinder nach kleinen Fossilien graben konnten (denn Österreich lag in Urzeiten weit unter dem damaligen Meeresspiegel), Gasthöfe, eine Kirche und eine Bibliothek. Weiters war Hohenberg das erste Kreativ-Dorf Europas. Diesen Gag ließ sich der örtliche Tourismuschef einfallen, um mehr Besucher nach Hohenberg zu locken. Für ein paar Jahre funktionierte diese Strategie sehr gut. Es wurden Mal- und Bildhauerkurse mit den ortsansässigen Künstlern angeboten, welche großen Zuspruch fanden. Mit der Zeit ging der Tourismus in Hohenberg allerdings zurück. Soweit zurück, dass das erste Haus am Platz, der Gasthof "Zu den zwei Linden" vor drei Jahren zu sperren musste. Eine Wunde, die mich immer noch schmerzt, da ich diesen Flecken Erde so sehr liebe. Falls ich dereinst eine berühmte Künstlerin sein sollte, oder auch vorher, möchte ich Hohenberg gerne retten. Mit Kunst. Mit Engament. Reanimation einer wertvollen Gegend. Aus diesem Grund liebe ich also das Land. Der Geruch, der hier auf der Teichalm die Luft erfüllt wäre für manche Leute recht seltsam. Es riecht nach Kühen, ihren Hinterlassenschaften, Kräutern und Blumen. Wie können Kuhfladen gut riechen, fragt man sich da? Es ist der Mix aus allem. Es ist Land. So riecht Land. Ganz einfach. Therapiesitzung im Garten Wieder ein Schluck aus dem Weinglas. Wie viel Akku hat der Laptop noch? Genug um noch ein wenig zu schreiben. Vor meinem Gesicht schwebt eine dieser unglaublich gut von der Natur durchdachten Fliegen. Sie sind nicht schwarz, sondern sind gelb-schwarz gestreift wie Bienen oder Wespen. Ich denke, sie sollen an Wespen erinnern, da Wespen für die meisten Lebewesen mit Vorsicht zu betrachten sind. Ein Stich tut weh und hinterlässt eine große, schmerzvolle Schwellung. Diese Fliegen aber sind harmlos und können sogar im Flug auf einer Position stehenbleibe. Genauso wie diese modernen Jets, die mit ausgefahrenen Düsenwerken "im Flug" auf einer Höhe stehen bleiben können. Offenbar haben die ehrenwerten Fliegen eine große Liebe zu mir entwickelt. Sie umschwärmen mich die ganze Zeit. Suuuummmmm. Suummmmmm. Ein wenig lästig, aber aus haltbar. Auch während mein lieber Freund und ich gemeinsam unter dem von uns, unter einiger Mühsal aufgerichteten Sonnesegel im Garten saßen, wollten sie nicht von mir lassen. Ich dachte bei mir, vielleicht rieche ich so gut nach Sonnencreme. Oder vielleicht stinke ich. Sollte ich wieder duschen gehen? Nein, ich war sauber genug. Nur ein bisschen geschwitzt hatte ich, während wir das Sonnensegel aufgestellt hatten. Wahrscheinlich war es das. Fliegen lieben Schweis. Na dann. Dennoch, es störte mich. Das Gesumme. Das auf-mir-herrum-gekrieche. Vor allem, da mein lieber Freund und ich in sehr tiefsinnige, für uns sehr wichtige Gespräche vertieft waren. Wie konnte man sich auf die Erläuterung seiner Probleme und deren allumfassende Lösung konzentieren, während man so umflogen und bekrabbelt wurde? Komischerweise flog keine einzige auf ihn. Hatte er ein besseres Deo als ich. Gottseidank, wusste er nicht, dass ich seines benützt hatte. Einmal, inklusive nachheriger Reinigung des Deo Kopfes. Wenn man kriminell ist, dann anständig kriminell. Im Sinne von Anstand. Es war einfach besser gewesen, da ich aus kostensparenden Gründen mir Billig-Deo zugelegt hatte. Wie dem auch sei - wir verbrachten den gesamten Nachmittag unter dem Sonnesegel. Rauchend, Kaffee trinkend, über uns sprechend und in Schweigeminuten verfallend. Eigentlich dachte ich mir - du bist wegen dir hier, um über dich nach zu denken. Du solltest eigentlich alleine sein. Trotzdem, es freute mich sehr, dass mein lieber Freund all diese Dinge mit mir besprach, dies zeugte von einem großen Vertrauen. Und sind wir nicht alle Gottes Kinder? Haben wir nicht alle Probleme, Zweifel, Ängste? Es war schön mit ihm zu sprechen. Sowie er mit mir sprach und zuhörte. Als wir genug geredet hatten, bauten wir das Sonnensegel wieder ab. Ich sagte zu ihm,"Und weißt du was die Konklusio von all dem ist? Dass wir uns von unseren Ängsten und Sorgen nicht kaputt machen lassen dürfen. Mein Freund, der gestorben ist, hat seinen Teufelskreis nie durchbrochen und im Endeffekt ist er daran zu Grunde gegangen." Er erwiderte,"Jeder intelligente Mensch sollte irgendwann auf seine Probleme drauf kommen und darüber nachdenken." "Ja.", meinte ich,"Und unsere Aufgabe ist es, sie zu bewältigen, sonst verfolgen sie uns unser ganzes Leben." Nein, ewig Angst haben wollte ich nicht. Ich war dankbar. Dankbar für die wundervolle Gelegenheit hier zu sein. Dankbar für einen guten Freund. Dann gingen wir Rasenmähen. Ein Jahr später und um ein paar Phobien reicher Nach meinem Besuch auf der Alm wartete ich eines Tages auf die Ubahn in meiner gewohnten Station. Auf Grund meiner Agoraphobie (Platzangst, die Angst vor weiten Plätzen) war diese Station, die zu den modernen zählte, mit all ihrem Glas und weiten Raum Grund für Nervosität. Doch ich hatte es bis dato immer geschafft in die Ubahn ein- und auszusteigen. Bis zu diesem Tag. Die Ubahn kam und ich klebte mit zittrigen Knien an einem Pfeiler der Station. Alles grau. Alles Glas. Keine Menschen um mich herum. Die Bahn hielt aber ich konnte nicht einsteigen. Ich war gelähmt vor Angst und Unglauben über meine plötzliche Unfähigkeit einzusteigen. Ich hatte Angst den Raum zwischen dem Pfeiler und dem Zug zu überqueren. Es ist schwierig zu erklären, aber ich fühlte mich als müsste ich ein schwarzes, gähnendes Loch passieren. Die Angst trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Ich atmete heftig und meine Augen waren groß. Gehetzt sah ich mich um, ob mir vielleicht jemand helfen könnte. Doch was sollte ich sagen ohne mich peinlich zu outen? „Entschuldigen Sie bitte, ich habe gerade eine schlimme Panikattake und traue mich nicht in die Ubahn einsteigen...können Sie mir helfen?“ Rein theoretisch möglich. Aber in der Praxis? Es ist schwer mit Phobien. Sehr schwer. Ich schähmte mich. Die Leute sehen einen doch etwas schief von der Seite an, wenn man sich offenbahrt. Egal wie aufgeklärt jemand auch ist. Die Ubahn fuhr ab. Die Nächste kam. Fuhr ab. Noch eine kam. Und noch eine. Und noch eine. Ich, gefesselt an meinen schützenden Pfeiler ließ sie alle fahren. Schweißgebadet mit rasenden Herzen verließ ich mehr schlecht als recht den Bahnsteig. Um zu meinem Termin zu kommen, nahm ich den Bus. Ich war schockiert und fertig. Seit dem bin ich nicht mehr in die Ubahn bei dieser Station oder bei anderen, die dieser ähnlich sind eingestiegen. Ich habe es nochmal versucht. Aber es ging nicht. Das Fahren mit der Ubahn ist nur teilweise möglich. Stationen, die nicht so „weit“ sind. In denen „Dinge zum Anhalten sind“, wie Informationswände, ect. Und Menschen. Ich schaffe es meine Platzangst zu überwinden und über einen Platz zu gehen, wenn ich im Windschatten von anderen Menschen gehen kann. Doch wie dämlich ist das? Wenn sich der Mensch plötzlich umdreht, weil er sich zu Recht verfolgt fühlt und in mein gehetztes, angst verzerrtes Gesicht blickt – was dann? „Entschuldigen Sie, ich gehe hinter Ihnen her, weil ich Platzangst habe....nein, nicht enge Räume...weite...ja...ich danke Ihnen für Ihr Verständnis....“ Es ist ziemlich traurig und manchmal auch recht einsam als „Phobiker“. Man steht abseits der Gesellschaft. Ist eigentlich „behindert“. Behindert im Tun. Ich sehe mir manchmal die Leute an, die so locker und leicht in den Ubahnstationen gehen, die aussehen wie riesige Eislaufplätze. Praterstern. Donauspital. Es ist sogar so schlimm geworden, dass ich in einer Station, in der ich gelandet bin, weil ich mir unbedingt beweisen wollte, dass ich es schaffen kann, dass ich stärker bin als meine Angst, von einer Freundin abgeholt werden musste. Warum es so schlimm geworden ist, weiß ich nicht. Ich bin nun in Therapie. Mein Analytiker ist schweigsam. Er hört im Moment zu. Es ist ungewohnt keine Diagnose zu erhalten, keine Ratschläge. Sondern einfach zu erzählen, zu weinen, über alles berichten, was in mir vorhanden ist. Es ist ein wenig schwer für mich nicht ungeduldig zu sein und eine schnelle Lösung zu verlangen. Aber ich versuche mich darauf einzulassen. Ein Therapeut meine einmal : „Das Einzige was an Ihnen krankhaft ist, ist Ihr Misstrauen.“ Na dann. Dann gibt es wohl Hoffnung. Und ja, die gibt es. Trotz allem. Erstens. Ich bin wirklich nicht alleine mit dieser Problematik. Ich habe ein paar Leute kennengelernt, die wie ich Zittern wenn sie das Wort Ubahn schon hören. Ein Mädchen, dass seit Jahren Privatisieren nimmt, weil sie anders nicht funktionieren kann. Ich frage mich, was ich los mit uns? Was ist los mit der Welt? Ist es wirklich nur die moderne Umgebung? Warum haben wir soviel Angst? Wozu, warum, weshalb? Ich denke mir immer, wie haben unsere Vorfahren überlebt? Wenn ich mich in der Steinzeit vorstelle, dann kann ich nur eine verrückte Schamanin gewesen sein (das wär ein Wunschtraum), oder eine eventuell Ausgestoßene, weil ich irgendeine Mannbarkeits – oder Fraubarkeitsprüfung nicht bestanden hätte. Jetzt hab ich den roten Faden zur Hoffnung verloren.... Genau, ich bin nicht alleine. Das ist ein gutes Gefühl. Als die Panikattaken bei mir anfingen verstand ich gar nichts. Dann traf ich Leute, denen es genauso ging. Das half. Um die weisen Worte der Alm zu wiederholen...Probleme erkennen, bewältigen...leben.... Hm...so einfach? Wenn ich über Glasbrücken gehen kann, im Flugzeug nach Australien fliege, Rumba am höchsten Gebäude der Welt tanze, eine Kreuzfahrt mache, Auto fahre und ein Pferd reite....dann melde ich mich wieder. So long. And good luck. You are not alone. To be continued. Als ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Lap Top sah, war es wie ein Wunder.
Mein Vater war ein Sammler von Technik, Radios und Uhren. Mehrere Wochen wollte er mir seine neueste “Datenbank” zeigen – eine Datenbank war ein Taschenrechnerähnliches Gerät mit Schreibfunktion und Speicherplatz. Ich war nicht sonderlich interessiert, weil er schon so viele davon sein Eigen nannte. Eines Tages ging ich in das Schlafzimmer meiner Eltern. Als ich auf den Tisch meines Vaters blickte konnte ich meinen Augen nicht trauen. Ein Lap Top!!! Ein schwarzes, für damalige Verhältnisse, und ich rede vom Jahre des Herrn 1996, flaches, eckiges Ding – meinem Wissen nach sündhaft teuer, somit für uns nicht leistbar. Ein Sonderangebot. Ein erfüllter Traum. Sofort fragte ich meinen Vater,”Was ist das?”, die Betonung lag auf dem “a” und war sehr lang-gezogen im neugierigen, ungläubigen Ton. Natürlich sah ich für mich sofort meine Chancen. Ich annektierte den Lap Top sofort. Freilich unter dem Vorwand ihn nur mal ansehen zu wollen, ihn aus zu borgen und gleich wieder zurück zu geben. Ja. Mein Vater war sehr gutmütig. Ein herzensguter Mensch, der Zeit seines Lebens wie ein Kind begeisterungsfähig war. Über für manche simple Dinge wie Notizbücher konnte er sich mit aller Ehrlichkeit freuen und brachte seine blauen Augen zum Strahlen. “Ohhhhhhhhhhhhhhhhh...”, pflegte er zu sagen, wenn ich ihm etwas schenkte. Einfache Sachen, eben wie dieser erwähnte Notizbuch oder ein Stift, weil ich nicht genug Geld hatte. “Ohhhhhhhhhhh....”, sagte er, seine Augen gingen auf, sein Gesicht erhellte sich von einer Sekunde auf die andere im Glanz seines Lächelns, nahm die Geschenke entgegen und meinte mit absoluter Freude in seiner Stimme, “Vergelts Gott!” Vergelts Gott. Worte, die heut zu Tage nur noch selten im Gebrauch sind. Ein junger Mensch, oder sogar ich, die ich mich in meinen 30iger befinde würde sagen, “Coooooooooool, danke!” Die Dankesworte meines Vaters waren somit ein Indiz darüber, dass er aus einer anderen Zeit stammte. Freilich und sowieso. Wie könnts denn anders sein? Allerdings eine Zeit, in der die Menschen untereinander noch höflicher waren. Zu mindestens verbal. Zweiter Weltkrieg? Holocaust? Dort Kriege? Da Kriege? Massenmorde? Kalter Krieg? Ah...schon wieder ein Krieg, Bomben...Atombomben! Aber die Leute waren ausgesucht höflich und hatten Manieren. Trugen Anzüge, Hüte und die Frauen hatten immer tolle, in Locken gelegte Haare. Hatten sie. Vergelts Gott. Gern geschehen. Mein Vater hatte es nicht leicht. Er war krank. Wurde mit den Jahren noch kränker. Doch keinen einzigen Tag, bis an sein Lebensende hat er sich jemals beschwert. Er lebte mit seiner Krankheit. Lebte mit seinem eingeschränkten Bewegunsradius, obwohl er passionierter Wanderer gewesen war. Die letzte Tat, die ich für ihn tun konnte war ihm im Krankenhaus, nachdem er sein Mittagessen wieder hoch gewürgt hatte, den Bart zu reinigen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meinen Vater schon lange nicht mehr körperlich berührt. Diese eine, letzte Berührung, diese Intimität war ein Geschenk von dem ich in diesem Augenblick nichts wusste. Dass mein Vater sterben würde. Dass ich ihn nie wieder sehen würde. Dass mich meine Mutter eines Morgens anrufen würde um mir zu sagen, dass mein Vater gestorben sei. Wie Elvis. Gerade beim Erheben vom Leibstuhl. Wie episch. Der Schlag der Götter. Ich wusste nicht, dass mein Bruder der jahrelang nicht geweint hatte nicht mehr anders können würde, als den Tränen freien Lauf zu lassen und doch noch immer bemüht sein würde sie zu unterdrücken. Nein, ich wusste noch nicht dass für meine Mutter, die meinen Vater hingebungsvoll gepflegt hatte eine Welt zusammen brechen würde. Sowie von all den Jahren, die noch folgen würden – von der Trauer, der Verdrängung, der Aufarbeitung und der Zusammenrückung der restlichen Familie. Als ich meinem Vater mit der Serviette über den Bart strich, wusste ich von all dem nichts. Es fehlt ein Teil. Es fehlt ein so wichtiger Teil. Ich kann gar nicht sagen wie weh das tut. Jetzt, nach fast vier Jahren bin ich fähig darüber zu schreiben. So ausführlich noch dazu. Dabei war es nicht mein Plan zu diesem Thema zu kommen. Ich wollte über meinen ersten Lap Top schreiben. Mein erster Lap Top, den ich von meinem Vater annektiert hatte. Den alten Lap Top gibt es noch. Ich habe mittlerweile einen neuen, ultramodernen und superschnellen. Meinen Vater gibt es nicht mehr. Einen neuen auf biologischer Basis bekomme ich nicht. Dafür ist er, auch wenn es abgedroschen klngt in meinem Herzen und in meiner Erinnerung. Abseits davon stammt ein Großteil meiner Genetik von ihm. Wenn ich in den Spiegel blicke dann kann ich Teile von ihm in meinem Gesicht sehen. Das ist die Wahrheit und ich bin zum ersten Mal fähig mich den Erinnerungen zu öffnen. Denn um an die Erinnerungen zu kommen muss man zuerst den Schmerz des Verlustes durchschreiten, bevor man zu den sonnigen, schönen Eindrücken gelangt, die man gemeinsam geteilt hat. Ich sehe Teile von ihm in meinem Gesicht. Das Strahlen seiner Augen ist das meine. Vergelts Gott für das Geschenk des Lebens. Vergelts Gott für alles. Besonders den Lap Top. Lachen konnte mein Vater immer. |
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